H96 vs. VFL Wolfsburg 0-1 – Endlich AbstiegsKAMPF

Mit einer kämpferisch starken und über Strecken auch spielerisch überzeugenden Leistung hat die Mannschaft von Hannover 96 am Sonntag im Spiel gegen einen wiedererstarkten Meister VfL Wolfsburg gezeigt, dass sie Charakter hat.

Mit rudernden Armen forderte die Mannschaft vor dem Spiel die Unterstützung der Nordkurve ein. Auf ein solches Signal schienen die 96-Fans gewartet zu haben. Leidenschaftlich feuerten sie ihre Mannschaft im Nichtderby gegen den VfL Wolfsburg an. Mangelnde Leidenschaft kann man trotz der Niederlage auch den 96-Spielern nicht vorwerfen.

Beispiel Jiri Stajner, der in den vergangenen Wochen das Oszillieren zwischen Trübsinn und Genie gänzlich zulasten des Letzteren aufgegeben hatte. Neben einigen gelungenen Aktionen – etwa bereitete er mit einer schönen Vorlage auf Elson die beste Chance der Roten in der 1. Halbzeit vor – verstolperte Stajner zwar auch gegen Wolfsburg einige Bälle. Jedoch steckte er nach Ballverlusten nicht auf, sondern fightete zurück. Zahlreiche Ballrückeroberungen waren die Folge. Alles in allem keine Glanzleistung, aber ein engagierter Auftritt des Stoikers von Hannover 96.

Ein Gemeinplatz ist es, dass Altin Lala ein aufstrebender albanischer Nachwuchsdrogerist ist, den man selbst in seinen besten Fußballerzeiten nicht für seine Qualitäten in der Spieleröffnung gerühmt hat. Dies heißt aber nicht, dass Lala ein ständig grätschender und foulender Antifußballer wäre, der sich alleine durch Kampf definiert. Wer dies glaubt, ist vor einigen Jahren der Agitprop von Uli Hoeneß auf dem Leim gegangen, der die Aufgabe des Fußballprekariats der Liga darin sieht, in respektvollem Abstand den Zauber der bayerischen Edeltechniker vom Schlage eines Mark van Bommel zu bestaunen. So war Lala gegen Wolfsburg nicht nur das Kämpferherz der Mannschaft, sondern spielte auch den ein oder anderen klugen Pass.

Den entscheidenden Pass in die Spitze erhoffen sich die 96-Fans vom Brasilianer Elson. Gegen Wolfsburg spielte er einige schöne Pässe, hatte es insgesamt gegen die defensiv eingestellten, auf Konter über ihr stets gefährliches Trio Grafite, Dzeko und Misimovic lauernden Wolfsburger schwer. In der 1. Halbzeit ließ Elson seine Torgefahr aufblitzen, als er von der Sechzehnermeterlinie nur denkbar knapp verzog. Den Beweis, dass er ein starker Freistoßschütze ist, blieb Elson gegen Wolfsburg dagegen leider erneut schuldig. Insbesondere wenn die spielerischen Mittel limitiert sind, gewinnen Standardsituationen eine besondere Bedeutung. Hier besteht bei den Roten dringender Verbesserungsbedarf.

Dies gilt auch für die Verteidigung gegnerischer Standards. Unerklärlich bleiben die eklatanten Schwächen im Abwehrzentrum bei hohen Bällen in den Strafraum. Gefühlt gewinnt die 96-Verteidigung hier keinen Ball. So hatte 96 in der ersten Halbzeit Glück, als nach einem von Misimovic hineingebrachten Freistoß ein Kopfball von Madlung gegen das Gebälk ging. Ansonsten stabilisierte Haggui die Innenverteidigung sichtlich. Befreit von Eggimanns negativem Karma hatte Durica zwar einige Wackler, zeigte sich in Sachen Stellungsspiel und Zweikampfhärte aber verbessert. Ihm kam es zugute, dass ihm von Slomka mit Schulz und Haggui erfahrene Spieler zur Seite gestellt wurden.

Zwar kam das Wolfsburger Tor durch Misimovic über die rechte Seite zustande. Dennoch sind die Hannoverschen Chaostage auf den Außenbahnen zunächst beendet. Manuel Schmiedebach zeigte, dass zum Zweikampf im Fußball auch eine saubere Grätsche gehört. Die technisch einwandfreie, faire Sense sah man bisher eigentlich nur von Christian Schulz, zuweilen von Hanno Balitsch. Klasse auch wie Schmiedebach und Pinto sich immer wieder gegenseitig unterstützten und somit Fehler des anderen ausbügelten. Schulz und Djapka bildeten endlich wieder eine bundesligawürdige linke Seite. Djapka konnte dabei an seine vielversprechenden Leistungen zu Saisonbeginn anknüpfen, wenngleich er beim spielentscheidenden 0-1 wohl gepennt hat und Misimovic frei zum Schuss kommen ließ. Sowohl balltechnisch als physisch ist Djapka auf höchstem Niveau, seine starken Fernschüsse können noch eine gefährliche Waffe für die Roten werden.

Slomka hat mit seiner Aufstellung der Viererkette einiges richtig gemacht. Jetzt ist es wichtig, dass diese Formation sich einspielen kann und somit weitere Stabilität gewinnt. Sollte Andreasen bis zum Spiel im Breisgau fit werden, scheint ein Einsatz von Schulz im Mittelfeld jedenfalls entbehrlich.

Die Florian-Fromlowitz-Anfeuerungsfäuste sind wieder da. Sie konnten etwa nach einer Weltklasseparade bei einem Schuss von Gentner gezeigt werden, bei dem Fromlowitz blitzschnell am Boden war und den Ball mit den Fingerspitzen um den Torpfosten bog. Fromlowitz hatte sich spätestens seit dem Tod von Robert Enke das Selbstaufpeitschen mühsam abgewöhnt, da dies beim Umfeld, welches den sachlichen Stil Enkes gewöhnt war, vor allem dann auf Ablehnung stieß, wenn er im selben Spiel dicke Böcke schoss. Auch im Spiel gegen Wolfsburg leistete sich Fromlowitz einige Schnitzer und strahlte insbesondere bei Standardsitutationen noch nicht die nötige Sicherheit aus. Die Hannoveraner sind mittlerweile aber offenbar zu der Überzeugung gelangt, dass Fromlowitz den Stil Robert Enkes nicht kopieren kann und beobachten die gebärdenreiche Kommentierung eigener Paraden zurecht mit Wohlwollen. Eine eher sachliche Interpretation des Torwartspiels scheint mit dem physischen Spiel der Lauterer Torwartschule nur bedingt vereinbar.

Gegen die vielbeinige Abwehr der Wölfe konnte sich Koné zwar nicht immer so in Szene setzen wie erhofft. Große Klasse jedoch seine Ballannahme und Ballbehauptung auf engem Raum. Sowohl spielerisch als auch athletisch hat 96 im Angriff keinen mit ihm vergleichbaren Spieler. Auch nicht selbstverständlich ist, dass sich Koné in der Niedersächsischen Provinz voll reinhängt, obwohl er im Sommer voraussichtlich schon wieder Richtung Sevilla verschwinden wird. Ungeduldig wird ein Angriff Koné/Ya Konan erwartet, der viele Abwehrreihen durcheinanderwirbeln dürfte.

Die in ein Angriffsduo Koné/Ya Konan gesetzten Hoffnungen sollen jedoch nicht die Leistung von Mike Hanke abwerten. Die Pfiffe vor seiner Einwechslung kamen wohl eher aus dem Gästebereich, wenngleich nicht auszuschließen ist, dass auch einige Hannoveraner der Versuchung erneut nicht widerstehen konnten, ihre Unzufriedenheit mit dem teuersten Transfer der 96-Vereinsgeschichte kundzutun. Übersehen wird dabei, dass es nicht Hankes Schuld gewesen ist, dass 96 an Wolfsburg im Sommer 2007 völlig überzogene 4,5 Mio. € Ablöse gezahlt hat. Ebenso kann Hanke nichts dafür, wenn 96 mit ihm einen Strafraumstürmer verpflichtet, obwohl der Verein eigentlich einen schnellen und trickreichen Konterstürmer benötigt hätte und ihm dann zu allem Überfluss auch noch den baugleichen Mikael Forssell an die Seite stellt. An einem Sekundenlächeln nach der 1-4-Klatsche beim BvB ein vermeintliches Söldnertum Hankes festzumachen, ist intellektuelles Souterrain.

Diese Mannschaft ist entgegen der Auffassung der begnadeten Metaphoriker der Lokalpresse nicht mit dem Suizid von Robert Enke ebenfalls gestorben. Das Wolfsburg-Spiel war die lang ersehnte Kampfansage an die Konkurrenz im Tabellenkeller. Der Hannoversche Sportverein von 1896 fährt nach Freiburg, um gegen den Abstieg zu kämpfen.

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