Der Viereinhalb-Millionen-Euro-Mann

Zur Rückrunde wechselt Mike Hanke ablösefrei zum Tabellenschlusslicht Borussia Mönchengladbach. In Hannover wurde er stets an den 4,5 Mio. Euro Ablösesumme gemessen, die 96 im Sommer 2007 an Wolfsburg überwiesen hat und konnte den hohen Erwartungen nicht gerecht werden. Oftmals wurde sogar seine Einsatzbereitschaft in Frage gestellt – zu Unrecht.

Sommer 2007, Felix Magath krempelt den Kader des VfL Wolfsburg um, fast 20 neue Spieler werden verpflichtet. Folgerichtig müssen die Wolfsburger Spieler von den Gehaltsliste streichen. Zu den Ausrangierten zählt Mike Hanke, den Wolfsburg zur Saison 2005/06 für satte vier Millionen Euro von Schalke 04 transferiert hatte. Zuletzt war Hanke über die Rolle des Edelreservisten nicht mehr hinausgekommen. Wolfsburg muss daher mit einem deutlichen Transferminus rechnen – zumal schon die an Schalke überwiesene Ablösesumme als nicht marktgerecht gegolten hatte und Jungnationalspieler Hanke bei den von VW alimentierten Wolfsburgern stattlich verdient.

Es kommt anders. Der aufstrebende Nachbar Hannover 96 hat unter der Überschrift „Weg-vom-40-Punkte-Denken“ ein so genanntes Konzept ausgetüftelt. Der Plan: Jedes Jahr mehr Punkte sammeln! Noch genauer: Nicht alte schlechte Fußballer, die ihren Zenit schon lange überschritten haben, will man holen. Nein, gute junge Fußballer mit Entwicklungspotential sollen es sein. Dieses zukunftsweisende Konzept soll Christian Hochstätter, der nach Dieter Hoeneß begnadeteste Geldverbrenner der deutschen Fußballmanagerszene, in die Tat umsetzen. 4,5 Millionen Euro sagt 96 den vergnügten Wolfsburgern für einen Transfer Hankes zu, die das Geld postwendend in einen gewissen Edin Dzeko reinvestieren.

Gewiss ein unfairer Vergleich, der aber zeigt, unter welchen Vorzeichen Hankes Leistungen künftig beurteilt werden sollen. Während nämlich die hannoversche Qualitätspresse noch jubiliert, dass Hochstätter die Transfers ähnlich geräuschlos über die Bühne bringt wie ein Hartz-IV-Empfänger beim Media-Markt den Flachbildfernseher fürs Kinderzimmer kreditfinanzieren lässt, überlagert bei den 96-Fans die Rekordablösesumme jede Diskussion um die sportlichen Fähigkeiten Hankes. Dabei wird der Transfer nicht gerade dadurch in ein besseres Licht gerückt, dass Hanke mit einer Schraube im Knie zur ersten Pressekonferenz bei 96 humpelt – er war zuvor beim Duschen verunfallt. Die bei Hanke diagnostizierte Rasenallergie tut ein Übriges.

Verläuft Hankes erste Saison in Hannover mit zehn Toren noch ordentlich, erzielt er in der folgenden Spielzeit gerade noch magere vier Treffer. Noch dicker kommt es 2009/10: Hanke wird zumeist nur eingewechselt und erzielt erst am 33. Spieltag seinen ersten Treffer. Wenn Hanke spielt, sieht man ihn oft weit vom gegnerischen Strafraum entfernt, mit dem Rücken zum Tor. Beim Versuch die Bälle zu erlaufen und zu verarbeiten, wirkt er hilflos, bei Ballbesitz des Gegners gelingt es ihm regelmäßig nicht, die Verteidigung unter Druck zu setzen und zu Ballverlusten zu zwingen. Die reflexhafte Diagnose: Mangelnde Laufbereitschaft, fehlender Einsatz. Ablösesumme und Gehalt werden Hanke persönlich zum Vorwurf gemacht.

Übersehen wird dabei gerne, dass Hankes teils ungenügende Leistungen systembedingt sind und nicht auf mangelndem Einsatz beruhen. Hanke hat seine Qualitäten im Strafraum, insbesondere bei Standardsituationen kann man ihm mangelnde Torgefahr nicht vorwerfen. Zu Strafraumsituationen kommt es für die 96-Angreifer ab der Saison 2008/09 aber immer seltener. 96 versucht die Mängel im Spielaufbau mit langen, meistens hohen Bällen zu überwinden, wobei Hanke eine Art „Target-Spieler“ im Stile eines Jan Koller geben soll. Der Weg zum Tor ist für Hanke viel zu weit, das Nachrücken des Mittelfelds dauert zu lange, nach Balleroberung bleibt den Gegnern somit genügend Zeit und Raum, das eigene Spiel aufzuziehen. In der Saison 2009/10 will man sich spätestens unter Mirko Slomka als Kontermannschaft etablieren, beherrscht aber zunächst noch nicht das Einmaleins des modernen Underdogfußballs – das schnelle Umschalten von Defensive auf Offensive nach Ballgewinn. Zudem ist Hanke als Konterstürmer schlicht zu langsam, verfügt über kein vernünftiges Dribbling.

In der erfolgreichen Hinrunde 2010 ist Hanke schließlich hinter Ya Konan, Abdellaoue und Schlaudraff nur noch die Nummer 4 im Angriff der Roten, kann seine Torgefahr aber immerhin als Joker unter Beweis stellen. Mangelnden Einsatz kann man ihm trotz der sportlich für ihn unbefriedigenden Situation nicht vorwerfen. Hanke ist mithin kein Beispiel für einen einsatzunwilligen, arroganten Fußballmillionär. Vielmehr steht sein Fall exemplarisch für die amateurhafte Transferpolitik der Ära Hochstätter, die in keinster Weise auf ein taktisches System abgestimmt gewesen ist, das 96 in der Bundesliga halbwegs erfolgreich praktizieren kann.

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