Ernüchterndes Remis gegen Lüttich

In einem ereignisarmen Spiel kamen die Roten am Donnerstag im ersten Gruppenspiel der Europa-League gegen den Royal Standard Club de Liège über ein torloses Unentschieden nicht hinaus. Ein Schlenzer von Schlaudraff, dem man das Attribut Weltklasse hätte verleihen können, wenn er anstatt an die Latte ins Tor gegangen wäre und ein gefährlicher Torschuss von Stoppelkamp. Ansonsten viel Ballgeschiebe im Mittelfeld, den 96-Angriffen fehlte ihr gefürchtetes Tempo. Dies lag sicherlich zum großen Teil daran, dass diesmal 96 mit dem Ball etwas anfangen musste, während sich tief stehende Lütticher auf’s Kontern verlegten. Von Mirko Slomka wissen wir, dass sich auch in solchen Spielen Gelegenheiten ergeben, nach Balleroberung die gegnerische Defensive zu überrumpeln. Dazu fehlte den Roten gegen Lüttich allerdings die Gedankenschnelligkeit. Dennoch unter dem Strich kein Grund, von der Mannschaft enttäuscht zu sein. Eine gewisse Weiterentwicklung ist zu erkennen, auch gegen eine defensiv eingestellte Mannschaft kann man das Spiel kontrollieren, lässt kaum Chancen des Gegners zu und kann mit etwas Glück gewinnen, während man letzte Saison gegen schwächere Mannschaften als die international arrivierten Lütticher – etwa zuhause gegen Pauli oder auswärts in Köln- solche Spiele verdient verloren hat.

Enttäuscht darf man allerdings über die Unterstützung von den Rängen sein. Gegen Sevilla brannte das Niedersachsenstadion zehn Minuten vor Spielbeginn, als die Mannschaft kurz vor Anpfiff in die Nordkurve lief, bekam ich Gänsehaut. Gegen Lüttich war dagegen allenfalls, Vorsicht Wortspiel!,  Standard-Stimmung.  Im Oberrang wurde eine kleine, aber sehenswerte Choreo dargeboten – ein Banner mit der Aufschrift „Von Kopf bis Fuß – Hannoverliebt“ wurde ausgerollt und ein schwarz-weiß-grünes Herz geformt, in dessen Mitte schlichte 96-Retro-Wappen.

Ansonsten machten die knapp 2.500 Fans von Standard Lüttich die Musik. Auf Seiten der 96er war die Stimmung dagegen – ich muss es so sagen – ziemlich erbärmlich. Ein kräftiger Hannover-Wechselgesang der Nord mit der West, zwei bis drei zaghafte „96 olé“, einmal ließ sich ein „Steht auf, wenn ihr Rote seid“ erahnen, vielleicht wurde noch „Auf geht’s Hannover schieß ein Tor“ gesungen, dafür lege ich aber nicht meine Hand ins Feuer. Viel mehr war wenigstens in W1 diesmal von den 96-Fans nicht zu vernehmen, die West schien sogar komplett weggeknackt zu sein. Nun mag man einwenden, dass sich W1 fast im Gästebereich befindet,  man deshalb den Support der Nordkurve kaum beurteilen könne. Gegen solche Zweifel an meinem Urteil habe ich mir folgende Argumente zurechtgelegt: Erstens kann man einen ordentlich gefüllten Gästeblock in der Regel im nördlichen Bereich des Westtribüne, teils sogar im Unterrang der Nordkurve gut hören. Zweitens haben die Lütticher ihre Mannschaft zwar ordentlich supportet, aber nichts vorgeführt, was man so in der Südkurve des Niedersachsenstadions noch nicht gesehen hätte. Ein solider Bundesliga-Auswärtsmob – nehmen wir etwa die Herthaner, die Clubberer oder die Gladbacher Borussen – macht im Niedersachsenstadion nicht weniger Alarm. Der Wechselgesang zwischen den beiden Lütticher Fan-Blöcken hat gut geschallt, ansonsten bekannte Gesänge in einer Lautstärke, die man vom Traditionsverein aus der Hölle von Sclessin erwarten darf. Kein nervtötender Dauergesang, durchaus also Pausen, in denen man auch mal Schlachtrufe des HSV hätte hören können. Drittens saß ich dicht am Spielfeld – wenn man dort die Anfeuerungen nicht hört, erreichen sie auch die Spieler auf dem Feld nicht, eine Unterstützung der Mannschaft sehe ich da kaum.

Woran lag’s? Keine Ahnung! Ohne eine „Wahrer-Fan/Kein-wahrer-Fan-Diskussion“ vom Zaun brechen zu wollen, muss ich doch feststellen, dass sich jedenfalls in meinem Bereich auffallend viele Pfeiffen in allen Schattierungen aufhielten. Auch machen sich volle Ränge im Stadion immer gut. Die tiefere Weisheit hinter den von offizieller 96-Seite regelmäßig verbreiteten „Quasi-Ausverkauft-Meldungen“ vermag ich deshalb nicht zu erkennen. Wie das 96-Ticketing am Vortag des Spiels bereits 43.000 Karten verkauft haben will, wenn dann am Spieltag selbst bei kreativer Zählung nur 42.500 Zuschauer im Stadion sind, bekäme ich gerne mal erklärt. Haben 500 vom Europapokal gelangweilte Hannoveraner ihre Eintrittskarten am Donnerstag wieder zurückgegeben? Schön auch die von den lokalen Medien wie immer völlig unkritsch übernommene Mär von den zurückgekommenen UEFA-Karten. Mir tun die UEFA-Leute fast schon ein wenig leid: Offenbar wurden für sie nur Tickets unter dem Fan-Block von Standard Lüttich reserviert, die man ihnen dann auch noch seit geraumer Zeit im Online-Ticket-Shop vor der Nase hätte wegschnappen können.

Am Sonntag gegen den Deutschen Meister ist Zeit zur Wiedergutmachung – und zwar für die 96-Fans. Also Mund auch mal zum Anfeuern aufmachen! Ansonsten möchte ich von euch erläutert bekommen, weshalb das akustisch völlig Unmögliche geschehen konnte und ich in N8 vor allem „Schwarz-Gelb“ hören musste. Das Stadion ist eigentlich seit Wochen ausverkauft – ach ja, wer trotzdem gerne noch das Spiel im Stadion verfolgen möchte, muss nicht auf den Schwarzmarkt zurückgreifen, sondern erwirbt einfach im Online-Shop eines von knapp 800 an sich bereits ausverkauften Tickets.

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