Als Levante UD vor etwa einem Jahr zum ersten Mal in seiner 102-jährigen Geschichte die Primera División noch vor den Weltvereinen Real Madrid und FC Barcelona anführte, jubelte Levantes Mittelfeldspieler Juanlu: „Es ist ein Wunder: ein Olé für unsere Eier„. Im Gruppenspiel des UEFA Pokals zeigten am Donnerstag allerdings nur die Roten Cojones und gewannen nach frühem Rückstand mit 2:1, obwohl sie seit der zehnten Minute in Unterzahl spielen mussten.
Auf dem Rasen, der infolge der Regenfälle eher einem Acker glich, waren keine zehn Minuten vergangen und es schien bereits klar zu sein: Diese biederen Spanier aus Valencia werden in Hannover im wahrsten Sinne des Wortes keine Sonne sehen. Deutlich zeichnete sich die spielerische Überlegenheit der 96er ab. Levante Unión Deportiva, kurz Levante UD, war offenbar nicht zufällig am vergangenen Spieltag in Osasuna mit 0:4 unter die Räder gekommen. Dies erkannte vielleicht auch Schiedsrichter Liany und brachte Spannung in die Partie. Leidtragender war Haggui, nach dessen kurzer Umarmung im Strafraum Gekas, der Bundesligatorschützenköng von 2007, recht theatralisch zu Boden gegangen war – Rote Karte für Haggui, den Strafstoß verwandelte Michel zum 1:0.
Diese Entscheidung hätte die Partie auf den Kopf stellen können. Tat sie aber nicht, denn in der Folgezeit spielte (fast) nur Hannover 96. Dies taten die 96er so gut, dass ihre Unterzahl gar nicht weiter auffiel. In der Reihe hinter mir war ein Zuschauer erst eine Viertelstunde nach Anpfiff gekommen, der Platzverweis war ihm mithin entgangen. Die Unterzahl der 96er wurde ihm erst kurz vor dem Halbzeitpfiff bewusst, als ihn einer seiner Freunde ins Bild setzte – so überzeugend war 96 zu Werke gegangen, nachdem Slomka die Viererkette wieder instandgesetzt hatte, indem er Felipe für Schlaudraff gebracht hatte. Das flotte Spiel der 96er war auch deshalb bemerkenswert, weil der Ball auf dem nach starken Niederschlägen völlig durchnässten Rasen nur schwierig zu kontrollieren, an gepflegtes Kurzpassspiel eigentlich nicht zu denken war. Levante igelte sich ängstlich mit all seinen elf Männern in der eigenen Hälfte ein und hatte spielerisch wenig zu bieten, ließ lediglich immer wieder mal seine Kernkompetenz, das ruppige Einsteigen, aufblitzen. Der schwache Schiedsrichter Liany hatte hierauf nicht immer die richtige Antwort parat. „(Wir sind) arm, schlecht und hässlich“, soll ein Fan-Banner von Levante UD prahlen – nun gut, wenn sie es schon selbst sagen, wollen wir ihnen nicht widersprechen.

Der schwache Schiedsrichter Liany zeigte Haggui früh für einen kleinen Zupfer an Gekas Trikot Rot. Gegen das rustikale Einsteigen der Spanier hatte er hingegen wenig einzuwenden.
Eine vor sich hinschrubbende spanische Mannschaft und ein Schiedsrichter, der ihnen dies durchgehen lässt, dies war irgendwie retro und erinnerte an Europapokalduelle zwischen deutschen und spanischen Mannschaften in den 80er Jahren. Ähnlich retro war zeitweise auch die Stimmung auf den Rängen. Die Ultras hatten zum unbefristeten Stimmungsboykott aufgerufen und schwiegen über das gesamte Spiel. Sie reagierten damit auf das erste Stadionverbot, welches von Hannover 96 gegenüber einem Fan ausgesprochen worden war, den man beim Schwenken der mittlerweile bundesweit bekannten Fahne mit dem Konterfei des berüchtigten Wurstfabrikanten Fritz Haarmann hatte identifizieren können. Während einige sich freuten endlich einmal wieder selbst und vor allem spielbezogen Gesänge anstimmen zu können und die ultrafreie Stimmung gut fanden, kam es anderen im Niedersachsenstadion wie beim Totentanz vor. Darüber, was eine gute Stadionatmosphäre ausmacht, scheint doch eine gewisse Uneinigkeit, vielleicht sogar ein kleiner Generationenkonflikt zu bestehen. Treibt Dauersupport die eigenen Jungs nach vorne, muss das Stadion möglichst 90 Minuten brennen? Oder darf es auch mal ruhig sein, wird die Mannschaft vielleicht durch spontane Anfeuerungen an den Knackpunkten eines Matches sogar mehr gepushed? Szabolcs Huszti beantwortete für sich die Frage jedenfalls zugunsten der Ultras und forderte schon in der ersten Halbzeit die Nordkurve mit den Armen rudernd dazu auf, mehr Krach zu machen. Egal wie man hierzu steht, nicht schön ist es, wenn gegen Levante manch in der Vergangenheit Schweigsamer eventell nur angefeuert hat, um es den Ultras mal richtig zu zeigen.

Wenn wir die Haarmann-Fahne nicht mehr schwenken dürfen, hängen wir unsere Zaunfahnen falsch herum auf.
Über die Leistung des zwölften Mannes dürften mithin die Meinungen auseinander gehen, über die starke Leistung der zehn nach der Roten Karte für Haggui verbliebenen 96er hingegen nicht. Als Eggimann im Sechzehner bei einem Eckball am Trikot umgerissen wurde, war Schiedsrichter Liany noch nicht danach, schon wieder Strafstoß zu pfeifen. Als ein Spanier dann wenig später per Hand eine Torchance von Huszti zunichte machte, hatte Liany endlich ein Einsehen und gab Elfmeter. Huszti verwandelte den Elfer sicher zum überaus verdienten Ausgleich. Die zweite Halbzeit war gerade knapp fünf Minuten alt, als Hannover 96 schließlich in Führung ging: Aus dem Gewühl heraus hatte Ya Konan den Ball aus kurzer Distanz im Tor untergebracht. Er krönte damit sein prima Spiel und bestätigte seinen Aufwärtstrend. Bissig war er immer wieder in die Zweikämpfe gegangen, hatte wichtige Bälle gewonnen – so wollen wir ihn sehen!
Nach dem Führungstreffer zog sich 96 etwas zurück, schließlich kommt am Sonntag der Deutsche Meister aus Dortmund. Levante kam nun etwas auf, erspielte sich Torchancen, von denen Zieler die beste mit einer klasse Fußabwehr entschärfte. Einige Schnitzer erlaubte sich Zieler in den letzten Begegnungen. Auf der anderen Seite sollte man seine großartigen Paraden vor allem in der Schlussphase in Enschede und auch gegen Levante nicht vergessen.
Durch den Dreier gegen Levante ist 96 nun Spitzenreiter der Gruppe L. Umso trauriger musste einen der Blick in die Nordkurve stimmen. Die Ultras und viele Fans, die sich mit ihnen solidarisch zeigen wollten (oder bei dem ungemütlichen Wetter schnell in die nächste Pinte wollten?), hatten das Stadion direkt nach dem Schlusspfiff verlassen. Die Mannschaft feierte kurz vor der West und schaute etwas bedröppelt in die Nord. Europapokal in Hannover sollte anders aussehen.
Hannover 96 – UD Levante 2:1 (1:1)
96: Zieler, Cherundolo, Eggimann, Haggui, Rausch, Stindl, da Silva Pinto, Ya Konan,
Huszti (85. Schmiedebach), Schlaudraff (11. Felipe), Sobiech (77. M. Diouf)
Levante: Navas, Pedro Lopez, Ballesteros, Hector Rodas, Karampelas, Lell (33. El Zhar), Iborra, Dudka (70. Angel), Pedro Rios, Gekas (70. Ruben Garcia), Michel
0:1 Michel (10., Foulelfmeter, Rechtsschuss, Gekas)
1:1 Huszti (21., Handelfmeter, Linksschuss)
2:1 Ya Konan (49., Rechtsschuss, Stindl)
Schiedsrichter: Liran Liany (Israel)
Zuschauer: 34.600 (davon zwei Auswärtsfans im Gästeblock und ins Blaue hinein geschätzt 100 im Unterrang der Haupttribüne)
Gelbe Karten: Stindl (1.), Rausch (2.), Zieler (1.), Schmiedebach (1.); Pedro Lopez (1.), Gekas (1.)
Rote Karte: Haggui (9., Notbremse an Gekas)