Die elfte Saison spielt Hannover 96 seit dem Wiederaufstieg 2002 nun ununterbrochen in der 1. Bundesliga und konnte dadurch in der ewigen Tabelle einigen Boden gutmachen. Schon seit geraumer Zeit kann Eintracht Braunschweig die Roten nur noch durch das Fernglas sehen. Letzte Saison konnte man mit Fortuna Düsseldorf und dem Karlsruher SC zwei weitere Vereine überholen und befindet sich derzeit auf dem 16. Rang. Bis zu Platz 15, den der MSV Duisburg einnimmt, sind es noch über 170 Punkte – hier wird es also in nächster Zukunft keine Bewegung geben. Freunde von fußballhistorischen Daten und Statistiken richten daher diese Saison den Blick nach Europa und fragen sich: Inwieweit ist 96 nicht nur aus Sicht der Fans der St.Patrick’s Athletics ein European Giant, sondern auch bei Blick auf das in der Vergangenheit im Europapokal Erreichte bereits eine europäische Größe? Höchste Zeit also, einmal die ewige Tabelle der Europapokale genauer unter die Lupe zu nehmen und sich einen Überblick zu verschaffen, wie 96 hier im Vergleich zu den anderen deutschen Clubs steht.
Was heißt überhaupt ewige Tabelle der Europapokale? Nun, die herangezogene Statistik basiert auf sämtlichen Spielen in den ehemals drei, inzwischen zwei großen europäischen Pokalwettbewerben: Der Champions League (vormals Europapokal der Landesmeister), der Europa League (vormals und für Traditionalisten immer noch UEFA Pokal; davor Pokal der Messestädte) und dem unglücklicherweise mittlerweile abgeschafften Europapokal der Pokalsieger. Wie in der ewigen Tabelle der Bundesliga wurden dabei für einen Sieg drei Punkte und für ein Unentschieden ein Punkt verteilt. Natürlich hat eine solche Tabelle für Europapokale nicht den gleichen Aussagegehalt wie für die Bundesliga, weil es sich bei den Europapokalen trotz der Bezeichnung als Champions League und Europa League im Kern weiterhin um Pokalwettbewerbe handelt. In K.O.-Spielen hat ein 1:0-Sieg im Rückspiel nach einer 0:6 Hinspielschlappe aber nunmal nicht die gleiche Wertigkeit wie ein Sieg, der zum Weiterkommen führt, eigentlich noch nicht einmal wie ein Remis, das den Einzug in die nächste Runde sichert. Dennoch: Einen gewissen Überblick über die Europapokaltradition der Clubs kann die Tabelle geben. Viele Punkte kann ein Club schließlich nur erreicht haben, wenn er viele Spiele auf dem Buckel hat, wozu er dann und wann auch mal eine Runde überstanden haben muss.
Für die Saison 2011/12 hatte sich Hannover 96 erstmals seit dem Erstrunden-Intermezzo im Europapokal der Pokalsieger 1992 wieder für die Teilnahme an einem relevanten europäischen Vereinswettbewerb qualifiziert. Zuvor konnte man viele Jahre allenfalls ab und zu im bedeutungslosen Intertoto Cup glänzen. Mit seiner erfolgreichen Europapokalkampagne in der vergangenen Saison und dem guten Start in die laufende Europa League-Saison hat Hannover 96 einen deutlichen Sprung nach vorne von Rang 230 auf 186 gemacht. Immerhin 43 Europapokalspiele hat 96 inzwischen absolviert, in denen man 19 Mal als Sieger den Platz verließ, achtmal Remis spielte und sich 16 Mal geschlagen geben musste – insgesamt stehen damit für die Roten in der ewigen Tabelle 65 Punkte zu Buche. Von Laibach bis Genk spürt man bereits den heißen hannoverschen Atem im Nacken, selbst der zweimalige Sieger des Landesmeisterpokals, Nottingham Forest (Position 160), könnte diese Saison noch eingeholt werden.

Brian Clough hat mit Nottingham Forest 1979 und 1980 jeweils den Europapokal der Landesmeister gewonnen. In Nottingham haben sie ihm ein Denkmal errichtet. In der ewigen Europapokaltabelle ziehen die Roten aus Hannover aber vielleicht schon diese Saison an den Reds aus Nottingham vorbei.
Schaut man sich nur die deutschen Clubs an, befindet sich Hannover 96 aktuell auf Position 19, also drei Ränge schlechter als in der ewigen Tabelle der Bundesliga. Dies ist darauf zurückzuführen, dass fünf Vereine aus dem Osten der Republik vor den Roten rangieren. Die Europapokalspiele von Dresden, Jena, Magdeburg, Lok Leipzig und Dynamo Berlin fanden alle zu Zeiten der DDR Oberliga statt. Seit der Deutschen Einheit gelang es ihnen nicht mehr, sich für einen Europapokalwettbewerb zu qualifizieren.
Dynamo Berlin ist auf Platz 17 mit 22 Punkten Vorsprung noch ein gutes Stück von Hannover 96 entfernt, der TSV 1860 München hingegen auf Platz 18 in Reichweite. Mit einem Sieg in Helsingborg könnte man zu 1860 bereits aufschließen, ein weiterer Punkt in der Gruppenphase würde genügen, um die Löwen schließlich zu überholen. Apropos Löwen – die Braunschweiger Eintracht liegt in der ewigen Europapokaltabelle unter den deutschen Clubs abgeschlagen auf Platz 26 und hat nicht einmal die Hälfte der Punkte geholt, die sich Hannover 96 erspielen konnte.
Etwas relativieren muss man die Tabellenposition von Hannover 96 allerdings schon. Die hier verwendete Europapokaltabelle berücksichtigt auch den Pokal der Messestädte, der gemeinhin als Vorgängerwettbewerb des UEFA Pokals angesehen wird. Der Messepokal wurde zur Promotion internationaler Handelsmessen zwischen 1955 und 1971 insgesamt 13 Mal ausgetragen. Teilnehmer waren jeweils Städteteams oder Clubs als Vertreter von Handelsstädten. Einen großer Teil der bisher 43 Europapokalspiele, nämlich insgesamt 21, hat Hannover 96 zwischen 1958 und 1969 im Messepokal bestritten, ohne dass hierfür das Erreichen eines bestimmten Tabellenrangs in der nationalen Meisterschaft erforderlich gewesen wäre. Bei der Bewerbung um einen Startplatz in diesem Wettbewerb wurde erst ab 1968 stärker die sportliche Qualität der Mannschaft berücksichtigt. Eine Qualifikation über die nationale Liga war im strengen Sinne erst für den 1971 eingeführten UEFA Pokal erforderlich. Der Qualität des Wettbewerbs tat dies aber keinen Abbruch, 96 maß sich im Messepokal mit den Top of the Pops des europäischen Clubfußballs: Etwa AS Rom, Inter Mailand und SSC Neapel aus der Serie A oder Ajax Amsterdam mit Johan Cruyff. Zudem spielte 96 gegen die beiden bestimmenden Teams der Messepokalära. In der Saison 1968/69 zog 96 gegen den amtierenden Titelverteidiger Leeds United in seinen „Glory Days“ unter seinem legendären Teammanager Don Revie den Kürzeren. Gegen den FC Barcelona (Spitzenreiter der ewigen EC-Tabelle) schied man 1966 erst nach Entscheidungsspiel und Münzwurf aus. Barca gewann den Wettbewerb in dieser Saison gegen Real Saragossa, insgesamt konnten sie den Messepokal dreimal mit ins Camp Nou nehmen und sind damit Rekordsieger. Bis heute befindet sich die Trophäe in Besitz der Katalanen: Barca besiegte 1971 in einem Entscheidungsspiel den letzten Gewinner des Wettbewerbs, Leeds United, mit 2:1.

Eine Tribüne der Elland Road in Leeds ist nach Don Revie benannt worden. Revie gelang es in den 1960er Jahren, aus dem Zweitligisten Leeds United eine der erfolgreichsten englischen Mannschaften ihrer Zeit zu formen – Leeds United gewann unter ihm zweimal die Meisterschaft, wurde fünfmal Vizemeister, holte den FA Cup, den Ligapokal sowie zweimal den Messepokal. 96 unterlag Leeds United im Winter 68/69 an der Elland Road mit 1:5 und im Niedersachsenstadion mit 1:2.
Die hiesige ewige Europapokaltabelle berücksichtigt auch die Qualifikationsspiele zur Champions League und zur Europa League. Dies und die Einführung einer Gruppenphase machen es heutzutage leichter, eine respektable Zahl von Europapokalspielen zu bestreiten. Dies gilt erst recht für die Champions League-Teilnehmer, die nach einem Ausscheiden in der Gruppenphase, in die K.O.-Runde der Europa League „absteigen“ und dort weitere Europapokalspiele sammeln können. Trotz dieser Verschiebungen: Hannover 96 hat seine Punkte in der abgelaufenen Saison der Europa League jedenfalls nicht gegen europäische Laufkundschaft gewonnen. Der letztjährige Gegner im 1/16-Finale, Club Brugge, ist aktuell die Nummer 23 in der ewigen Tabelle – von den deutschen Clubs nimmt nur der FC Bayern eine bessere Position ein. Gruppen- und Achtelfinalgegner Standard Lüttich belegt immerhin Position 43 im europäischen Ranking. Natürlich muss man dabei sehen, dass die Teams aus kleineren Ligen einen Vorteil gegenüber deutschen Clubs haben, weil sie sich angesichts der geringeren Leistungsdichte in ihren Ländern regelmäßiger für den Europapokal qualifizieren.

Auf eine stolze Europapokalhistorie kann der Club Brugge zurückschauen. Unter Ernst Happel gelang 1976 der Einzug ins Finale des UEFA Pokals. 1978 schafften es die Belgier sogar bis ins Endspiel des Europapokals der Landesmeister. Beide Male unterlag man dem FC Liverpool.
Mit dem FC Sevilla (ewige EC-Tabelle Rang 79) musste 96 zudem in den „Play Off“ einen zweimaligen UEFA Pokal-Sieger der jüngeren Vergangenheit (2006 und 2007) und die Nummer 1 der damaligen Setzliste aus dem Weg räumen. Schluss war für 96 erst im Viertelfinale gegen den späteren Pokalsieger Atlético Madrid (ewige EC-Tabelle Rang 16), der im Supercupfinale den Champions League-Sieger Chelsea FC mit 4:1 demütigte.