Ein 0:0 der öderen Sorte

Spannung kam beim Spiel gegen Twente Enschede erstmals in der Halbzeitpause auf – welche Highlights würde die Stadionregie wohl vom komplett ereignislosen ersten Durchgang über die Videotafel flimmern lassen? Es war ein Schuss von Schlaudraff, den man mit etwas Wohlwollen als Torchance ansehen konnte. Ansonsten tote Hose.

Doch von Beginn an: Slomka hatte nach der Niederlage gegen Freiburg ordentlich Prügel für sein Rautensystem bekommen, zu Unrecht wie er uns dankenswerterweise mitteilte. Schuld war alleine Manuel Schmiedebach, die alte Schlafmütze, der die Abfahrt des Mannschaftsbusses vom Hotel zum Stadion verpasst hatte und deshalb von Slomka auf die Bank gesetzt werden musste. „Das war natürlich doof. Aber ich musste reagieren“, erklärte Slomka hierzu in seinem Haus- und Hofblatt BILD. Nur zu meinem Verständnis: Was war eigentlich mit Pinto? Darf der auch nicht in die Startelf, wenn sich der Kollege Schmiedebach an einem Bundesliga-Sonnabend lieber in Ruhe noch einmal auf die andere Seite dreht? Egal, jedenfalls ließ Slomka diesmal wieder mit einer Doppelsechs spielen, 96 begann mit einer so gestärkten Defensive abwartend – nicht unbedingt eine Garantie für ein spektakuläres Fußballspiel, aber durchaus nachvollziehbar. Schließlich reichte 96 schon ein Punkt, um die Tabellenspitze zu verteidigen, während Twente unbedingt gewinnen musste, wollte es sich überhaupt noch eine Chance auf den Einzug in die K.O-Runde bewahren. Außerdem mussten die 96er Kräfte sparen, denn schon 43 Stunden nach dem Abpfiff der UEFA-Pokal-Partie im Niedersachsenstadion steht bekanntlich das Auswärtsspiel bei den Münchener Bayern an. Übrigens eine fragwürdige Terminierung, in umgekehrter Konstellation würde Kalle Rummenigge die Wettbewerbsverzerrung aufs Schärfste verurteilen, wahrscheinlich sogar den deutschen Fußball als solchen in Gefahr sehen.

Promispotting auf der Osttribüne: Ex-Schalker Youri Mulder nimmt im Oberrang Platz, um von dort die taktische Grundordnung des FC Twente zu kontrollieren. Alles in Ordnung, ein risiko- und europapokalaverses Twente hat das hannoversche Publikum erfolgreich eingeschläfert.

Da Twente allerdings auch kein Interesse daran hatte, die Verantwortung für das Spiel zu übernehmen, um dann womöglich ausgekontert zu werden, passierte in der ersten Halbzeit auf dem Platz zunächst nicht viel, dann wenig und schließlich so ziemlich gar nichts. Twente schob gemächlich den Ball hin und her, während sich die zwei gestaffelten Viererketten von 96 von oben nach unten, von hinten nach vorne, von unten nach oben und dann von vorne nach hinten verschoben. Sobiech und Schlaudraff liefen bei Ballbesitz von Twente die ballführenden Spieler ein wenig an, damit diese beim Spielaufbau nicht plötzlich wegpennen, ohne aber ernsthaft zu pressen und sich damit womöglich zu verausgaben. Das nennen die Taktikexperten wohl False Pressing, ein psychologisches Mittel, um den Gegner zu verunsichern, indem für ihn die Illusion des Drucks aufrechterhalten bleibt. Allzu verunsichert sahen die Verteidiger von Twente allerdings nicht aus. War 96 in Ballbesitz, geschah Ähnliches, nur eben umgekehrt. Schnell nach vorne wollte jedenfalls keine der beiden Mannschaften spielen.

Auch auf den Rängen war nicht viel los. Block N16/17 mühte sich redlich, doch so richtig sprang der Funke angesichts des drögen Spiels nicht über. Europapokalatmosphäre wollte auch deshalb nicht aufgekommen, weil es sich bei den etwas mehr als 2.000 Twente-Fans, die nach Hannover gekommen waren, um die trübsinnigsten Auswärtsfahrer seit Erfindung des Auswärtssupports handelte. Das Hitzigste am Spiel war daher die Diskussion, ob die Twente-Fans eventuell einen Stimmungsboykott machten.

Etwas mehr als 2.000 Menschen haben den FC Twente nach Hannover begleitet, um ihn dort nach Kräften nach vorne zu schweigen.

Im Europapokalboykott befand sich allem Anschein nach zumindest die Mannschaft von Twente Enschede, ihrerseits immerhin Tabellenzweiter der niederländischen Eredivisie. Nachdem die Holländer beim Pausentee erfahren hatten, dass Levante in Helsingborg bereits mit 2:0 in Führung lag, verloren sie endgültig die Lust, etwas fürs Spiel zu machen. Die Minuten plätscherten so dahin, erst in der Schlussviertelstunde wurde das Spiel etwas offener. Als sich Sobiech in der 84.Minute sogar allein auf den Weg zum Kasten des 42-jährigen Schlussmanns Boschker machte, wurde es dem Ex-Herthaner Bengtsson zu viel und er zog die Notbremse. Man war beim FC Twente offenbar felsenfest entschlossen, das hannoversche Publikum in den Genuss der spröden Schönheit eines torlosen Remis kommen zu lassen.

Nichts ist cooler als eine genormte und vom Medienpartner NDR 2 organisierte Stadionshow: So sieht das Niedersachsenstadion aus, wenn die Stadionregie zuerst „Won’t forget these days“ anspielt, um dann noch die „Alte Liebe“ als Rausschmeißer draufzusatteln.


Hannover 96- FC Twente Enschede 0:0

96: Zieler, Cherundolo, Eggimann, Haggui, Pander, da Silva Pinto, C. Schulz, Schlaudraff (61. Ya Konan), Huszti (78. Rausch), Sobiech, Nikci (70. Schmiedebach)Twente: Boschker, Rosales (77. Breukers), Bengtsson, Douglas, Braafheid, Janssen, Brama, Pelupessy (64. Fer), Gutierrez, Bulykin (71. Castaignos), Tadic
Tore: Fehlanzeige
Schiedsrichter: Alexey Kulbakov (Weißrussland)
Zuschauer: 35.800 (davon etwa 2.200 aus Enschede)
Gelbe Karten: Eggimann (2.), da Silva Pinto (1.), Fer (1.)
Rote Karte: Bengtsson (84., Notbremse, Sobiech)

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