„Ja, ich habe gesehen, Sie haben sich verbessert. Sie springen höher beim Kopfball, Sie sind schneller geworden“ – so in etwa soll Sepp Herberger mit seinen Spielern gesprochen haben, wenn sie im letzten Spiel Mist gebaut hatten, erzählte einmal der 47-malige deutsche Nationalspieler Karl-Heinz Schnellinger einem Journalisten der Süddeutschen Zeitung. Nach einem guten Spiel habe Herberger hingegen einem allzu stolzen Spieler gerne einen auf den Deckel gegeben und Leistungssteigerungen eingefordert.
Mirko Slomkas Stil scheint da ein anderer zu sein. Schon nach der 1:2-Heimspielniederlage gegen den SC Freiburg hatte Slomka mit dem passionierten Langschläfer Schmiedebach einen Sündenbock gefunden, der noch nicht einmal auf dem Platz gestanden hatte. Zur Erklärung der 0:5-Pleite beim FC Bayern wies er nun im Sky-Interview auf krasse individuelle Fehler vor den Toren zum 0:2 und 0:3 hin. Die Rede war wiederum von Schmiedebach, der sich vor dem 0:2 zu Ribery orientiert und dabei Kroos aus den Augen verloren hatte, sodass dieser völlig ungestört mit einem sehenswerten Seitenfallzieher eine Hineingabe von Lahm verwerten konnte. Noch deutlicher war der Fehler vor dem dritten Gegentreffer durch Ribery, als Schmiedebach den Ball in der eigenen Hälfte an Müller verloren hatte, der sodann Ribery am Strafraum bediente. Es folgte die Höchststrafe für Schmiedebach: Obwohl das Spiel beim Stande von 0:3 mehr oder minder für die Bayern entschieden war, wechselte Slomka ihn noch vor der Halbzeitpause gegen Schulz aus.

Dauersupport war gestern, heute ist Dauerchoreo. Für die Ganzkörperkondome hat die Schickeria München einige Nächte durchgenäht.

Bayern-Fans wollen es nicht checken. „Eure scheiß Stimmung, da seid ihr doch für verantwortlich und nicht wir!“
Es soll hier gar nicht Schmiedebachs unzureichende Leistung in der Allianz Arena verteidigt werden. Schon seit seiner Vertragsverlängerung scheint er sich etwas auf den Lorbeeren der Vergangenheit auszuruhen. Bezeichnend war für mich eine Szene, die sich Anfang August diesen Jahres nach dem Europapokalspiel bei den St. Patrick’s Athletics im Tallaght Stadium zugetragen hatte: Die Bitte eines mitgereisten Fans, ihm doch sein Trikot zu schenken, verneinte Schmiedebach mit der Begründung „Nee, mir ist kalt.“ Der Dubliner Sommer ist zugegebenermaßen etwas nieselig und windig, mancher jungen Dame hätte es ohne leichten Sommermantel dort wahrscheinlich ein wenig gefröstelt. Dem Profifußballer Schmiedebach hätte ich es aber eher nachgesehen, wenn er dem drängelnden Fan etwa entgegnet hätte: „Kauf Dir selbst ein Trikot, du versoffener Penner.“
Viel zu weit führte es aber, wollte man die Klatsche in München alleine an Schmiedebach festmachen. Nun wird es sicherlich den einen oder anderen geben, der darauf hinweist, dass 96 nach dem frühen 0:1 durch Martinez gerade halbwegs ins Spiel gefunden hatte, als Schmiedebachs Fehler die nächsten Gegentore einleiteten. Meine Lesart des Spielverlaufs ist allerdings eine andere: Bayern konnte zu jeder Zeit mühelos Torchancen generieren, hat über weite Strecken des Spiels lediglich zwei bis drei Gänge heruntergeschaltet. Zwei Beispiele: 1. Obwohl der Führungstreffer bereits in der 3. Spielminute fiel, hatte Bayern schon zuvor durch Müller gefährlich auf Zielers Gehäuse geschossen. 2. Bereits 26,53 Sekunden nach seiner Einwechslung hatte sich Gomez, der im vereinsinternen Wettbewerb mit Mandzukic und Pizarro nach seiner Verletzungszeit unbedingt ein Ausrufezeichen setzen wollte, seinen Wunsch erfüllt und zum 5:0 für Bayern eingenetzt. Es lag also nicht nur an Schmiedebach, 96 war den Bayern insgesamt zu keiner Zeit gewachsen, fand auch mental keine Einstellung zum Spiel.
Wieso prügelt Slomka also öffentlich auf Schmiedebach ein, anstatt ihn in einem internen Gespräch in den Senkel zu stellen? Bei Slomka fällt ein Muster auf, wonach bei ihm der Erfolg stets nur einen Vater hat, während der Misserfolg viele Väter haben kann, nur gewiss nicht sein missratenes Kind ist. Dies gilt sowohl für die Erfolge und Misserfolge auf dem Platz als auch außerhalb des Platzes. Erinnert sei etwa an den Transfer von Mame Diouf von Manchester United zu Hannover 96: Als Schmadtke in der Presse einmal wieder für sein gutes Näschen gelobt wurde, konnte Slomka es nicht lassen, via BILD klarzustellen, dass der Transfer auf seine Veranlassung zustande gekommen sei. Auf der anderen Seite gehen Fehleinkäufe stets auf Schmadtkes Konto. Gut erinnere ich mich zudem daran, wie Slomka nach dem 0:7 bei Bayern München in der Saison 2009/2010 mitten im Abstiegskampf die Bundesligatauglichkeit des Kaders infrage stellte. Nach der gestrigen Klatsche in München hat Slomka nur Schmiedebach geschlachtet und sich immerhin nicht von der gesamten Mannschaft distanziert. Im Herbergerschen Sinne daher lieber Mirko: „Ja, ich habe gesehen, Sie haben sich verbessert.“

An der Isar hört die 96-Leidenschaft noch lange nicht auf. Von der Elbe bis zum Tiber, immer wieder HSV!
Bayern München – Hannover 96 5:0 (3:0)
Bayern: Neuer, Lahm, Dante, Badstuber, Alaba, Javi Martinez, Schweinsteiger (70. Tymoshchuk), T. Müller (75. Shaqiri), Kroos, Ribery, Mandzukic (66. Gomez)
96: Zieler, Cherundolo, Eggimann, Haggui, Rausch, Schmiedebach (41. C. Schulz), da Silva Pinto, Stindl, Huszti, M. Diouf (79. Nikci), Sobiech (46. Abdellaoue)
1:0 Javi Martinez (3., Linksschuss, Schweinsteiger)
2:0 Kroos (24., Rechtsschuss, Lahm)
3:0 Ribery (37., Linksschuss, T. Müller)
4:0 Dante (63., Kopfball, Kroos)
5:0 Gomez (67., Rechtsschuss, Kroos)
Schiedsrichter: Felix Zwayer
Zuschauer: 71.000 (ausverkauft)
Gelbe Karten: Mandzukic (2.), Schweinsteiger (4.), Sobiech ( 3. ), Stindl (4.), C. Schulz (1.)
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