Fifa-Chef Blatter will Bier und Zigaretten aus den Fußballstadien verbannen. Fußball sei ein Kulturgut wie die Oper und: „Ich habe noch nie gesehen, dass jemand im Konzertsaal oder in der Oper trinkt und raucht.“ Stimmt, wobei ich noch hinzufügen möchte, dass ich in der Oper auch noch nie jemanden gesehen habe, der ein Bengalo entzündet, womit die leidige Pyrodiskussion auch erledigt sein dürfte.
Vergleiche zwischen Fußball und Oper sind nicht neu und werden in Deutschland meist von Kulturfritzen im Feuilleton gezogen, wenn diese auch einmal über etwas Interessantes schreiben möchten. Lediglich das Opern- und Theaterpublikum, das hatte man bislang im Fußballstadion dann lieber doch nicht haben wollen – jedenfalls hat man dies besser nicht öffentlich geäußert. Jetzt könnte man es sich natürlich einfach machen und mit einigem Recht behaupten, dass sie in Blatters Oberstübchen schon vor längerer Zeit eingebrochen und zu klauen vergessen haben. Dann verpasste man aber die Gelegenheit, das Ganze mal zu Ende zu denken. Denn: Falls Fußball wie Oper ist, wieso ist dann eigentlich Oper nicht wie Fußball? Will sagen, dann sollte man den beiden Kulturgütern doch auch eine vergleichbare Behandlung angedeihen lassen. Dies gilt zum Beispiel für ihre Spielstätten.
Die alten Häuser des Fußballs wurden zum großen Teil abgerissen, um sie durch profitablere (Tivoli!) High-Tech-Arenen, gerne auch am Stadtrand, zu ersetzen. Im Gegensatz dazu wird in Scala und Semper Oper immer noch auf Weltniveau vor sich hingeträllert, obwohl die alten Kisten sicherlich Betriebskosten ohne Ende fressen. Der ganze Kulturbetrieb ist hochdefizitär, jede Eintrittskarte wird vom Steuerzahler mit hunderten von Euro subventioniert, die alten Hütten rechnen sich in ihrer jetzigen Form schlicht nicht, zumal bis auf die Eintrittsgelder quasi überhaupt keine Einnahmen erzielt werden. Diese Not ist hausgemacht, denn die Opernhäuser befinden sich zumeist in zentralen Innenstadtlagen, die Immobilien sind regelrechte Filetstücke. So könnten die Schatzkämmerer der Kommunen mit einem Verkauf dieser Grundstücke die Haushaltssituation spürbar verbessern, weitere Einnahmen könnten generiert werden, wenn dort etwa eine Shoppingmall Arbeitsplätze schüfe und die Steuern sprudeln ließe. Auch könnten sozialpolitisch wertvolle Vorhaben in die Tat umgesetzt werden, zum Beispiel Townhouses für erlebnisorientierte Gutverdiener die schlechte Wohnungssituation in angesagten Premiumlagen entspannen. Vielleicht ist es hier und da sogar möglich, die schönen Altbaufassaden zu erhalten und die Gebäude in schicke Lofts, Galerien und Cafés umzugestalten. Utopisch? Bei Highbury in London hat das jedenfalls ganz gut geklappt, dessen Art-Déco-Fassaden sind nun endlich ihrer wahren Bestimmung zugeführt worden.

Na also, geht doch. Wo die Library im Clock End gar nicht mal so leise war, wenn Thierry Henry zu seinen Sturmläufen ansetzte, wohnt man jetzt gediegen.

Hier könnten schicke Galerien, gemütliche Cafés und Lofts der Extraklasse die Steuereinnahmen sprudeln lassen. Stattdessen subventioniert der Staat, dass alte Frauen ihre Abendkleider spazieren tragen können.
In suburbanen Gewerbegebieten und Schlafstädten gibt es Grundstücke für einen schmalen Euro, sie könnten zudem durch die Errichtung hochmoderner Kulturmehrzweckbauten, in denen die Akustik heutigen Maßstäben gerecht würde, aufgewertet werden. Wenigstens wäre dies allemal besser, als die alten Gemäuer mit viel Staatskohle einem Facelifting zu unterziehen. Die Staatsoper Unter den Linden wird gerade für 287,9 Millionen Euro saniert. Für das Geld könnte man eine von der UEFA mit fünf Sternen bewertete Fußballarena von Weltrang für mindestens 70.000 Zuschauer bauen. Dies allein zeigt die ganze Unverhältnismäßigkeit. Also: Zigaretten- und Bierverbot für die Nordkurve und LED-Werbebanden für den Opernfreund. Abriss der Semper Oper – jetzt!
In unseren Häusern wird auch schön gesungen. Mal schauen, was von dieser Fußballoper nach der WM 2014 noch übrig ist: